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Rückblick auf „Slam Poetry up2date“ – Erlangens 1. U20 Poetry Slam

Wir möchten uns bei allen Förderern und Unterstützern, Kooperationspartnern und Helfern bedanken, die bei der Realisierung dieses Projektes mitgewirkt haben: allen voran Fr. Lippert vom Kulturamt der Stadt Erlangen, den LehrerInnen Fr. Pfeifenberger, Hr. Schmidt, Fr. Beck, Fr. Frank, Fr. Wiech-Rosenkranz, Fr. Hammer und Fr. Gunter sowie Steffen Bremmert und Manuel Siegert für ihre Mithilfe bei der Veranstaltungsdurchführung und -dokumentation.

Zahlreiche Poetry Slam-Workshops an fünf Erlanger Gymnasien gingen dieser wundervollen Abschlussshow voraus und es entstanden unzählige, teilweise sehr beeindruckende Texte – nach einer inspirativen Initialzündung selbstständig von Schülerhand verfasst. Leider konnten aus Zeitgründen nicht alle dieser über 100 Werke bei Slam Poetry up2date präsentiert werden, zumal es verständlicherweise auch einige Überwindung kostet, vor einem großen Publikum die eigenen, mitunter sehr persönlichen Texte vorzutragen.

Vorab sei allen zehn TeilnehmerInnen, die den Mut hatten, vor über 350 Zuschauern ins Scheinwerferlicht der E-Werk-Saalbühne zu treten,  für ihre tollen Texte und Performances Lob und Dank gesagt:

Anna Kienreich
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Dorothee Bleisch
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Johannes Welsch
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Katrin Raab
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Marianne Kunkel
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Katalin Hetzelt
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Thomas Forstner
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Tanja Langner
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Thea von Rüden
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Svenja Kehlenbeck
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Herzliche Gratulationen gehen an die beiden Siegerinnen Marianne Kunkel (Christian-Ernst-Gymnasium)  und Svenja Kehlenbeck (Emmy-Noether-Gymnasium), die in einem spannenden Wettkampf mit knappem Vorsprung den stärksten Applaus einheimsten.

Im Rahmenprogramm veredelten der Münchner Björn Dunne mit lupenreiner Spoken Word Poetry und ein famoser, für anhaltende Lachsalven und Begeisterung sorgender Christian Ritter aus Würzburg die Veranstaltung, die im Kern jedoch von den oben genannten SchülerInnen mit Leben erfüllt worden ist.

So switchten wir in Runde 1 an Hand einer banalen Alltagssituation durch die in einer imposanten Performance dargestellten facettenreichen rhetorischen Ausprägungen verscheidener weiblicher Rollenbilder in der heutigen Zeit (Anna Kienreich), verharrten gemeinsam mit halbhoch gehobenem Fuß inmitten eines Schrittes auf einen Menschen zu und erfuhren mehr über die Zwänge der Anbahnung allzu menschlicher Beziehungen und dass Zombies solche Schwierigkeiten nicht haben würden (Dorothee Bleisch), durchlitten die Leiden des jungen Rauchers im täglichen Kampf ums terretoriale Rückzugsgebiet und gegen die eigene Ungesundheit (Johannes Welsch), spürten auf Wilhelm Buschs Spuren als Zuschauer des Überlebenskampfs einer Stubenfliegenkolonie der menschlichen Jagd- und Zerstörungsfreude nach und wurden Zeuge einer ebenso emotionalen wie poetischen Liebeserklärung an die eigene Mutter (Katrin Raab), bevor schließlich eine Topfplanze, ihr Topf und ein herzlos liebender und hassender Roboter die erste ehrliche Auseinandersetzung ihres Lebens führten und zwar mit demselben bezahlten, dafür aber zu neuen Erkenntnissphären aufbrachen (Marianne Kunkel).

Runde zwei wurde von einem poetisch eleganten, monologischen Dialog eröffnet, über das Leben zu zweit im Heute, im Angesicht eines unaufhaltsamen Morgens mit all seinen Zwängen und Erwartungen (Katalin Hetzelt). Anschließend durchlebten wir die gedanklichen Abschweifungseskapaden während einer nicht enden wollenden Unterrichtsstunde, gespickt mit (Wikipedia-)Zitaten, Definitionen und den ganz persönlichen Ansichten des Vortragenden über den Dauerwissensinput (Thomas Forstner), bevor eine Facharbeit zum Thema „Poetry Slam“ (!) nicht nur ganz tatsächlich mit der Erfahrung eines eigenen Auftritts bereichert wurde, sondern mit ihr und dem damit verbundenen, von der Lehrerin auferlegten Stress auch  im selben Augenblick  augenzwinkernd abgerechnet wurde, anschließend dann desgleichen mit dem gesamten eingestaubten deutschen Schulsystem (Tanja Langner). Als nächstes begleiteten wir eine frischgebackene Seefahrerin auf ihrer Jungfernfahrt Richtung Zukunft, hinaus aus dem sicheren Hafen des Schulalltags (Thea von Rüden), um schließlich in die wunderbare Welt der Online-VZ-Communities von skurriler Namensblüte zu -blüte zu springen und dadurch ein Bild vom Alltag einer modernen Schülerin und ihres chaotischen Zimmers und Kopfes zu gewinnen (Svenja Kehlenbeck).

Abschließend sei noch allen ZuschauerInnen gedankt – ihr wart ein tolles, weil aufmerkmsames und faires Publikum!

Im Folgenden gibt es einige Bilder, einen Link zum Artikel zur Veranstaltung aus den Erlanger Nachrichten vom 11.11.2010 und exemplarisch einen im Slam-Workshop verfassten und am 10.11. vorgetragenen Text der Schülerin Thea von Rüden, die damit sicherlich vielen baldigen und künftigen Schulabsolventen aus der Seele gesprochen hat.

Presse: http://www.nordbayern.de/region/erlangen/schule-und-zombies-1.307091

Bilder des Abends Vormittags:

Text „Man sagt“ von Thea von Rüden:

Man sagt, ich bin jetzt ein Seefahrer.
Und so steige ich in mein Boot und setzte die Segel. Ich knote das Tau los und stoße mich vom Steg ab. Ich fahre nur sehr langsam, nicht mehr als zwei bis drei Knoten. Doch das muss so sein, denn schneller fahren darf ich nicht. Mein kleines Boot könnte an einer der vielen Sandbänke entlang schrammen und beschädigt werden.
Und so habe ich mehr Zeit, um den Hafen in meinem Rücken ein letztes Mal zu betrachten. Er ist weitläufig und unüberschaubar. Möwen fliegen kreischend über der Strandpromenade, die das Ufer säumt. Ich spüre eine kühle Brise, die vom Meer herüber weht und rieche deren salzigen Geruch. Die Sonnenstrahlen werden von der Wasseroberfläche der Wellen, die an mein Boot schlagen, wieder gespiegelt und blenden mich. Mir steigen Tränen in die Augen.
Plötzlich werden schlummernde Erinnerungen an vergangene Zeiten wach und brechen, wie das Wasser einer beinahe versiegten heißen Quelle aus meinem Inneren heraus und strömen schmerzhaft in meine Glieder. Ich atme zitternd ein. Mein Blick schweift weiter. Entlang der Kaimauer und zu den zahlreichen Ablegestellen. Es gibt keine, an der man anlegen kann- hierfür ist dieser Hafen nicht gedacht.
Man sagt, es gäbe einen, in den die Schiffe einlaufen. Jenseits des Meeres, am Ende einer jeden Reise.
Man wünscht mir, dass ich dort ankomme, irgendwann, und mich nicht verirre, auf der langen Überfahrt. Oder in der Unendlichkeit, die mich erwartet, versinke.
Dank meiner guten Karten, die man mir mitgegeben hat, kann ich die Sandbänke innerhalb des Hafens umschiffen. Nach einiger Zeit, ich kann nicht sagen, wie viel, denn Zeit ist hier wie das Hafenwasser- unbeständig, launisch und  ein Kind der Gezeiten. Nach einiger Zeit also gelange ich an die Hafenmauer, die die Bucht vor den großen Wellen, die vom Meer kommen, schützt. Es sind breite, solide Steinwälle.
Plötzlich geht ein Ruck durch mein Boot. Und ich merke, dass ein Sog mein Boot packt- ich werde schneller. Die Strömung zieht mich hinaus in Richtung des Hafentors. Und während ich immer weiter beschleunige – ich kann meine Umgebung kaum noch deutlich sehen- bekomme ich Angst. Doch ich will mein Boot nicht stoppen, könnte es auch gar nicht. Ich erreiche das Steintor, passiere es und will ein letztes Mal zurück blicken. Will noch einmal meine Welt, mein altes Leben sehen. Will mir ein Standbild einprägen, was mir hilft, die lange einsame Reise zu überstehen, will mich an jedes Detail erinnern können, will all das packen und festhalten.
Ich wende den Kopf, doch der Hafen ist verschwunden.